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Christine Rainer

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Oft sitze ich mit Menschen in kleinen Räumen zum Deutsch lernen, manchmal am Teppich zwischen den Stockbetten. Wir trinken zusammen Tee, alle sind immer sehr gastfreundlich, Tee ist das Mindeste, was ich in ihren kleinen Zimmern auf jeden Fall annehmen muss, selbstgemachtes Fladenbrot oder kleine süße Kugeln, die unseren Rumkugeln ähnlich sind. Sie erzählen von ihrem vergangen Leben und ich von meinem, von unserem, es beginnt sich zu verweben.

Oft ergeben sich im Gespräch ganz automatisch Hilfestellungen. Wir tauschen Hausmittel bei Erkältungen aus, ich enträtsle Wörter aus dem Mitteilungsheft der Kinder und wundere mich selber über die komplizierten Fragen in Formularen oder begleite zu Arztbesuchen. Nichts Aufregendes, aber schwierig für jemand, der die Sprache nicht gut kann, Gepflogenheiten nicht kennt und sich in der Stadt nicht zurechtfindet und für jede Hilfe dankbar ist, auch eine häufige Erfahrung.

Meist sind es kleine deutsche Alltagsdialoge, aus denen sich alles Weitere ergibt. Zwischen den Zeilen im gemeinsamen Gespräch liegt viel von dem was wir Werteverständnis nennen, über Alltägliches transportiert, ohne Extrakurs, im ganz gewöhnlichen Miteinander. Dein Sohn? fragt mich eine in der Runde, wieder gesund? Fast, sag ich. Wie sagt man, fragen sie. Ich verstehe, was sie meinen, gute Besserung! Wir sagen – gute Besserung, wenn jemand krank ist. Sie schreiben es in ihr Heft, als wichtige Redewendung. Es wird besser werden – auch unser Miteinander und auch das mit der alten Angst vor allem Fremden – Ich wünsche es mir sehr. So fremd sind wir uns im Inneren nicht.

Christine Rainer